Das Genus Verbi gibt an, ob ein Satz im Aktiv oder im Passiv steht. Es ermöglicht, den sprachlichen Fokus auf das handelnde Subjekt oder auf die sich vollziehende Handlung zu richten. Dieser Beitrag vermittelt ein Grundverständnis davon, wie das Genus Verbi in der deutschen Sprache funktioniert, welche Wirkung Aktiv- oder Passivsätze erzeugen und wie du sie in einer wissenschaftlichen Arbeit zielgerichtet verwendest.
Definition: Aktiv und Passiv
Die deutsche Sprache kann Verben in aktiver und in passiver Form ausdrücken. Die aktive Verbform (respektive der Satz im Aktiv) fokussiert das handelnde Subjekt, das eine unbestimmte oder auf ein Objekt ausgerichtete Tätigkeit durchführt. Die passive Verbform fokussiert hingegen die Tätigkeit, die das Subjekt vollzieht oder erleidet. Die Kategorie, innerhalb derer ein Verb im Aktiv oder Passiv stehen kann, wird als Genus Verbi bezeichnet. Während aktive Sätze von vielen Lesern als angenehmer Stil empfunden werden, ermöglichen Passivkonstruktionen, Vorgänge vom handelnden Subjekt zu lösen und ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken.
Welche Form wird wann verwendet?
Aktivkonstruktionen liefern der Reihe nach Aufschluss darüber, wer/was eine Handlung tätigt, was diese Handlung ist und gegebenenfalls, an wem sie vollzogen wird. Auf diese Weise erfüllen sie das Informationsbedürfnis, das Leser beim Rezipieren deutscher Sätze haben, in idealtypischer Reihenfolge. Es fällt den meisten Lesern leichter, sich auf ein Subjekt zu konzentrieren, das eine bestimmte Handlung vollzieht, anstatt die Handlung voranzustellen, die, wenn überhaupt, das Subjekt nur als Mittel zum Zweck verwendet. Dementsprechend sind aktive Sätze in der Alltagssprache verbreiteter und auch in der Schriftsprache ein probates Mittel, den Lesefluss stilsicher und angenehm zu gestalten.
Passivkonstruktionen ermöglichen dem Text hingegen, die Handlung ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Dabei verliert das Subjekt an Stellenwert, da es entweder dazu dient, die Handlung zu erleiden oder sie, zum Objekt degradiert, zu leisten. Passivsätze fordern den Leser zum Umdenken auf. Allerdings sind sie bisweilen notwendig, um die handelnde Entität auszuklammern und den Vorgang/die Handlung als unabhängigen (oder wichtigeren) Satzgegenstand hervorzuheben. Passivsätze wirken formaler und neutraler als ihr aktiver Gegenpart. Zudem kann das Passiv entweder als Vorgangspassiv oder als Zustandspassiv realisiert werden. Im Vorgangspassiv wird die Handlung vollzogen, im Zustandspassiv ist sie vollzogen (worden) und hat einen bestehenden Zustand herbeigeführt.1
So bildest du das Passiv
Das Passiv wird mit einer Form von „ist“ (Zustandspassiv) oder „werden“ (Vorgangspassiv) sowie der Partizip II-Form des Verbs gebildet. Das Partizip II besteht bei schwachen Verben aus dem Präfix {Ge-}, dem Wortstamm und der Endung {-t}. Bei starken und gemischten Verben kann sich der Wortstamm verändern oder die Endung abweichen.
Aktiver und passiver Satzbau
Beim Umstellen einer Aktivphrase in eine Passivphrase wird das Subjekt zum Objekt und das Objekt zum Subjekt. Die Formen von „ist“ und „werden“ orientieren sich stets am (neuen) Subjekt der Passivphrase.
Modalverben (müssen, sollen, können etc.) ersetzen in Passivphrasen die geforderte Form von „ist“ oder „werden“. In diesem Fall steht zusätzlich ein ungebeugtes „werden“ am Satzende.
Vermeidung von Man- und Ich-Formulierungen
Da Passivkonstruktionen die Handlung gegenüber dem handelnden Subjekt priorisieren, kannst du es in vielen Fällen ersatzlos streichen. Das ermöglicht dir, Man- und Ich-Formulierungen aus Aktivphrasen zu umgehen. Während Man-Formulierungen generell als schlechter Stil aufgefasst werden, scheiden sich bei Ich-Formulierungen die Geister. Viele Leitfäden empfehlen, in wissenschaftlichen Arbeiten auf ein „Ich“ zu verzichten, um Objektivität zu suggerieren, während andere Forscher die Auffassung vertreten, das „Ich“ mache lediglich transparent, dass der Text von einem Individuum verfasst wurde.
Das unpersönliche Passiv
Verfügt eine Aktivphrase über kein Objekt, stellt sich die Frage, wie sich das Subjekt in der Passivphrase konstituiert. In diesem Fall greift das unpersönliche Passiv. Um es zu bilden, fügst du dem Satz ein „Es“ hinzu, das die Rolle des Subjekts einnimmt. Dieses „Es“ kann explizit oder implizit auftreten.
Das Passiv in unterschiedlichen Zeitformen
Da zur Bildung von Passivphrasen unveränderlich das Partizip II zum Einsatz kommt, wird die Zeitform am Hilfsverb “werden” oder sein “markiert”. Die folgende Tabelle liefert dir eine Übersicht anhand der 3. Person Singular.
Vorgangspassiv
Zustandspassiv
Diese Verben können nicht im Passiv stehen
Es gibt eine Reihe von Verben, die sich nicht in Passivkonstruktionen ausdrücken lassen. Oft hängt dies damit zusammen, dass sie bereits in aktiver Form einen passiven Bezug zur Handlung suggerieren. Allerdings verfügt die deutsche Sprache meist über alternative Formulierungen, die den gewünschten Effekt erzielen.
Beispiele für Verben, die keine Passivsätze bilden:2
Übungen zu Aktiv und Passiv
Du findest hier links Aktiv- und rechts Passivsätze, welche jeweils umgewandelt werden sollen. Die entsprechende Lösung findest du darunter im ausklappbaren Bereich.
Lösung der Übung
Ein gekühlter Energydrink wird von Julian getrunken.
Die Weltmeisterschaft 2014 wurde von Deutschland gewonnen.
Fangfrage: Wissensmarkierende Verben haben kein Passiv.
Die Ritter werden von König Artus zur Tafelrunde gerufen.
Fangfrage: Besitzanzeigende Verben haben keine Passivform.
Lösung der Übung
Schneewittchen aß den vergifteten Apfel.
Der Prinz küsste Schneewittchen.
Noch heute schürfen die Sieben Zwerge das Erz des Berges.
Alle Schüler lesen das Buch.
Viele Menschen befinden deutsche Grammatik für kompliziert.
Häufig gestellte Fragen
Aktiv und Passiv sind die beiden möglichen Formen des Genus Verbi. Das Genus Verbi bestimmt, ob ein Satz grammatikalisch auf ein handelndes Subjekt oder auf die Handlung ausgerichtet ist, die am Subjekt vollzogen wird.
Das Aktiv fördert den Lesefluss, da es eindeutig vermittelt, dass ein nachvollziehbares Subjekt eine Handlung durchführt. Daher werden Aktiv-Phrasen von vielen Lesern als angenehm empfunden.
Aktivphrasen sind an ein handelndes Subjekt gebunden. Steht in einer wissenschaftlichen Arbeit jedoch die Handlung (und nicht der/die/das Handelnde) im Vordergrund, führt die Subjektbezogenheit des Aktivs zu einer unnötig einschränkenden Perspektivierung, die suggeriert, die betreffende Handlung wäre nur zusammen mit dem genannten Subjekt zu denken.
Um das Passiv zu bilden, wird das Subjekt der Aktivphrase zum Objekt und das Objekt zum Subjekt. Das Verb wird zusammen mit einer am neuen Subjekt orientierten Form von „ist“ oder „werden“ im Partizip II realisiert.
Reflexive Verben (zum Beispiel: „sich putzen“, „sich umsehen“ etc.), besitz- und wissensanzeigende Verben wie „haben“ und „kennen“, manche feststehende Nomen-Verb-Verbindungen sowie Verben, die ihr Partizip II mit „ist“ bilden, können nicht als Passivphrase ausgedrückt werden. Das liegt meist daran, dass sie bereits im Aktiv mit einer passivähnlichen Bedeutung aufgeladen sind.
Quellen
1deutschplus-Grammatik: Genus Verbi, in: deutschplus.net, o. D., [online] https://www.deutschplus.net/pages/Genus_Verbi (Abgerufen am 04.10.2022)
2Ernst Klett Sprachen GmbH: Verben, die kein Passiv bilden, in: Ernst Klett Sprachen GmbH, 2019, [online] https://www.klett-sprachen.de/download/21288/Goethe_Zertifikat%20B2_Uebungsbuch_Verben_ohne_Passiv.pdf (Abgerufen am 04.10.2022)