Bevor du eine Hypothese aufstellen kannst, musst du entscheiden, ob die Methodik deiner wissenschaftlichen Untersuchung induktiv oder deduktiv sein soll. Induktiv bedeutet das Aufsteigen vom Besonderen zum Allgemeinen. Deduktiv meint das Absteigen vom Allgemeinen zum Besonderen. Im Folgenden beschäftigen wir uns primär mit den Merkmalen der induktiven Forschung und wie du anhand von wenigen Schritten eine Theorie von einer Beobachtung ableitest.
Definition: Induktive Forschung
Induktive Forschung ist ein Forschungsansatz, bei dem Beobachtungen oder Daten gesammelt sowie analysiert werden, um Muster zu erkennen und daraus Theorien oder Konzepte zu entwickeln. Im Gegensatz zur deduktiven Forschung, die mit einer Hypothese beginnt und diese testet, beginnt die induktive Forschung mit einer Datenerhebung und der Entwicklung von Theorien auf Grundlage dieser Daten.
Bei einer induktiven Vorgehensweise handelt es sich immer um eine aufbauende Forschungsmethode. Du hast etwas Bestimmtes beobachtet und möchtest herausfinden, ob du davon eine geltende Theorie ableiten kannst, dann spricht man von induktiver Forschung.
In der Regel bezieht sich die induktive Forschung zudem auf die Zukunft. Wenn deine empirische Forschung induktiv ist, möchtest du voraussagen, was zukünftig geschehen wird.
Vorgehensweise
Bei einem induktiven Vorgehen leitest du eine Theorie anhand der Betrachtung von Einzelfällen ab. Essenziell sind hierbei folgende 4 Schritte:
Beobachtung machen: Am Beginn der induktiven Forschung steht immer die Beobachtung
- Erfassen und Dokumentieren von Phänomenen
- Aufmerksamkeit auf relevante Details lenken
Daten erheben: Anschließend sammelst du Daten, um die Beobachtung zu stützen
- Auswahl geeigneter Methoden zur Datenerhebung
- Erkennen von wiederkehrenden Mustern in den Beobachtungen
Hypothese bilden: Auf den Daten basierend, leitest du eine Hypothese ab
- Ableitung vorläufiger Erklärungen
- Entwicklung von hypothetischen Aussagen bzw. Vermutungen
Theorie aufstellen: Letztlich kann eine Theorie abgeleitet werden
- Integration der generalisierten Schlussfolgerungen in bestehende Theorien
- Weiterentwicklung des Wissensstandes aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse
Im Folgenden wollen wir dir die Möglichkeit geben, die einzelnen Schritte mithilfe eines Beispiels einfach und verständlich zu verfolgen:
Induktiv vs. Deduktiv
Forschst du induktiv, leitest du eine Theorie aus Beobachtungen ab. Bei der deduktiven Forschung geht es hingegen darum, von einer allgemeingültigen Aussage auf einen Einzelfall zu schließen. Eine Theorie wird also anhand eines direkten Beispiels überprüft. Deduktive Forschung läuft folgendermaßen ab:
- Zunächst wird ein Forschungsthema definiert
- In einem zweiten Schritt wird die bestehende Theorie aufgezeigt
- Die Hypothese wird festgelegt
- Es erfolgt die Datenerhebung
- Die Hypothese wird bestätigt oder widerlegt
Je nachdem, welche Forschungsart (induktiv oder deduktiv) sich für deine Forschungsfrage eignet, entscheidest du dich anschließend für deine Forschungsmethodik.
Stelle dir die Frage, ob sich ein Interview, eine Gruppendiskussion oder doch eher eine standardisierte Umfrage am besten für deine Datenerhebung eignet.
Hier nochmal ein Überblick über die wichtigsten Unterschiede zwischen induktiv und deduktiv:
Induktive Forschung
- Vom Besonderen zum Allgemeinen aufsteigen
- Vom Einzelfall zur Allgemeinheit aufsteigen
- Ausgangspunkt ist die Erfahrung des Einzelnen
- Ziel: Allgemeingültige Theorie
Deduktive Forschung
- Vom Allgemeinen zum Besonderen absteigen
- Vom Allgemeinen auf das Einzelne schließen
- Ausgangspunkt ist die allgemeine Theorie
- Ziel: Bestätigung des Allgemeinen im Einzelnen
Anwendung
Induktive Forschung kommt häufig dann zum Einsatz, wenn auf dem Gebiet bisher wenig Forschung betrieben wurde und noch keine Theorien vorhanden sind, die getestet werden können.
So gibt es zum Beispiel im Bereich der Legasthenieforschung schon zahlreiche Theorien, während die Dyskalkulieforschung noch in den Kinderschuhen steckt und man hier eher induktiv vorgehen würde.
Mithilfe von induktiver Forschung ist es also möglich, neue Erkenntnisse zu gewinnen und eigene Theorien zu einem bestimmten Thema aufzustellen.
In einigen Punkten wird die induktive Forschung jedoch auch kritisiert, da Theorien, die auf Basis von Induktion aufgestellt wurden, nicht zwingend stimmen müssen. Deine Theorie verliert ihre Gültigkeit, sobald eine weitere Untersuchung ihr widerspricht. In der Wissenschaft wird dies als Induktionsproblem bezeichnet.
Weitere Kritikpunkte an der induktiven Forschung sind:
- Das Gegenteil einer Theorie zu beweisen ist schwierig
- Schlussfolgerungen sind abhängig von der Interpretation der Daten
Allerdings wird die induktive Vorgehensweise in der Wissenschaft auch in einigen Punkten befürwortet, denn trotz der berechtigten Kritik liefert die induktive Forschung nutzbringende Ergebnisse sowie eine gut begründete Schätzung. Je größer deine Stichprobe in deiner Untersuchung ist, desto repräsentativer wird deine Forschung und deine Schlussfolgerung. Außerdem können mithilfe dieser Vorgehensweise gänzlich neue Erkenntnisse gewonnen werden.
Anwendungsbeispiele
Induktive Forschung kann in jedem Fachbereich etwas anders aussehen. Damit du dir für dein Studium besser vorstellen kannst, was induktive Forschung in deinem Studiengang bedeutet, gibt es hier ein paar Beispiele:
Sozialwissenschaften
- Eine ethnografische Studie, die durch Feldbeobachtungen und Interviews mit Vertretern einer Gemeinschaft Daten sammelt, um Verhaltensmuster und soziale Strukturen zu identifizieren.
- Eine qualitative Inhaltsanalyse von Medienberichten, um Trends oder Themen in der Berichterstattung über politische Ereignisse zu identifizieren.
Psychologie
- Eine Grounded Theory Studie, die Interviews mit Personen mit bestimmten psychischen Gesundheitszuständen durchführt, um neue Theorien über deren Erfahrungen und Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
- Eine explorative Studie zur Identifizierung von Themen und Mustern in Tagebucheinträgen von Jugendlichen während der Adoleszenz, um Veränderungen im emotionalen Wohlbefinden zu verstehen.
Wirtschaftswissenschaften
- Eine qualitative Studie, die Interviews mit Unternehmern durchführt, um neue Geschäftsmodelle und Trends im E-Commerce zu identifizieren und zu erklären.
- Eine empirische Forschung von Fallstudien kleiner Unternehmen, um erfolgreiche Strategien für eine Markteinführung neuer Produkte abzuleiten.
Gesundheitswissenschaften
- Eine Grounded Theory Studie über die Erfahrungen von Patienten mit chronischen Krankheiten, um Modelle für die Patientenversorgung zu entwickeln, die deren Bedürfnisse besser adressieren.
- Eine qualitative Analyse von Gesundheitsdaten, um neue Muster in der Verbreitung von Krankheiten oder Gesundheitsrisiken in verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu identifizieren.
Naturwissenschaften
- Eine induktive Analyse von Observationsdaten in der Astronomie, um neue Hypothesen über die Struktur von Galaxien oder die Entwicklung von Sternsystemen zu formulieren.
- Eine Studie zur Analyse von Umweltproben, um neue Arten oder genetische Variationen in einer spezifischen ökologischen Nische zu entdecken.
Zusammenfassung
Immer, wenn anhand einer Beobachtung eine Generalisierung abgeleitet wird, ist Forschung induktiv. Es handelt sich also um eine aufbauende Forschungsmethode, die dazu dient, neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Meist kommt induktive Forschung zum Einsatz, wenn auf dem jeweiligen Gebiet bisher wenig Forschung betrieben wurde und somit nur ein begrenztes Vorwissen besteht.
Forschst du induktiv, kannst du somit neue Erkenntnisse gewinnen und neue Theorien aufstellen. Allerdings gibt es auch Kritik an der induktiven Vorgehensweise. Dies resultiert daraus, dass die Theorie durch einen Einzelfall widerlegt werden kann. Diese Kritik wird auch als Induktionsproblem bezeichnet.
Im Gegensatz zur induktiven Forschung geht es bei der deduktiven Forschung darum, von einer allgemeingültigen Theorie auf einen Einzelfall zu schließen. Induktive und deduktive Forschung können auch miteinander verknüpft werden, indem du die mit der induktiven Forschung aufgestellte Theorie deduktiv überprüfst.
Häufig gestellte Fragen
Induktive Forschung ist ein Ansatz, bei dem Forschende anhand von Beobachtungen oder Daten neue Theorien entwickeln. Statt von bestehenden Theorien auszugehen, wird hierbei von einem Einzelfall auf die Gesamtheit geschlossen.
Induktive Forschung beschreibt das Schlussfolgern von allgemeinen Theorien auf Grundlage der Analyse von Einzelfällen. Deduktives Vorgehen beschreibt das Überprüfen allgemeingültiger Theorien im Einzelfall.
Ja, die Schlussfolgerungen einer induktiven Forschungsstudie können auch in einer deduktiven Studie verwendet werden. Das können zum Beispiel zwei kleinere Teilstudien in deiner Bachelor- oder Masterarbeit sein.
Quantitative Forschung folgt in der Regel einem deduktiven Ansatz. Sie beginnt oft mit einer Hypothese, die aus einer bestehenden Theorie abgeleitet wurde, und verwendet dann strukturierte, oft numerische Daten, um diese Hypothese zu testen. Der deduktive Ansatz ist somit darauf ausgerichtet, Theorien zu prüfen, anstatt neue Theorien zu entwickeln, was eher der induktive Ansatz in der qualitativen Forschung tut.