Der Zauberlehrling | Johann Wolfgang von Goethe

23.10.24 Gedichte Lesedauer: 9min

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Die Literatur bietet mit Gedichten einen besonderen Weg, vielschichtige Themen und Gefühle auf kreative Art auszudrücken. Als sprachliche Ausdrucksform können Gedichte tiefgründige Einsichten in die menschliche Natur und Gesellschaft geben. „Der Zauberlehrling“ von dem deutschen Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe ist eine Ballade, die heutzutage noch als Inspiration für viele Bereiche dient. Im Folgenden findest du alles, was du zu dem Gedicht wissen solltest.

InhaltsangabeVolltext

Inhaltsangabe: „Der Zauberlehrling“

„Der Zauberlehrling“ von Johann Wolfgang von Goethe erzählt die Geschichte eines Lehrlings, der die Zauberkunst seines Meisters erlernt hat. Als sein Meister das Haus verlässt, beschließt der Lehrling, einen Besen mit einem Zauberspruch zum Leben zu erwecken, um ihm bei den Hausarbeiten zu helfen. Doch er verliert die Kontrolle über die beschworenen Geister, und die Situation gerät außer Kontrolle, bis der Meister zurückkehrt und die Katastrophe beendet. Das Gedicht warnt vor den Gefahren der Überheblichkeit und der unkontrollierten Nutzung von Macht, während es gleichzeitig die Bedeutung von Respekt und Verantwortung betont.

Volltext: „Der Zauberlehrling“

Hat der alte Hexenmeister
sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort‘ und Werke
Merkt ich und den Brauch,
und mit Geistesstärke
tu ich Wunder auch.

Walle! Walle!
Manche Strecke,
dass, zum Zwecke,
Wasser fliesse
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergiesse.

Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen;
Bist schon lange Knecht gewesen;
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
Oben sei ein Kopf,
Eile nun und gehe
mit dem Wassertopf!

Walle! Walle!
Manche Strecke,
dass, zum Zwecke,
Wasser fliesse
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergiesse.

Seht, er läuft zum Ufer nieder;
Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
und mit Blitzesschnelle wieder
ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
voll mit Wasser füllt!

Stehe! Stehe!
Denn wir haben
deiner Gaben
vollgemessen! –
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
hab ich doch das Wort vergessen!

Ach, das Wort, worauf am Ende
er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
stürzen auf mich ein.

Nein, nicht länger
kann ich’s lassen;
Will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!

O du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
steh doch wieder still!

Willst’s am Ende
gar nicht lassen?
Will dich fassen,
will dich halten
und das alte Holz behende
mit dem scharfen Beile spalten.

Seht, da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nur auf dich werfe,
gleich, o Kobold, liegst du nieder;
Krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich! brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
und ich atme frei!

Wehe! Wehe!
Beide Teile
stehn in Eile
schon als Knechte
völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!

Und sie laufen! Nass und nässer
wird’s im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör mich rufen! –
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist gross!
Die ich rief, die Geister,
werd ich nun nicht los.

In die Ecke,
Besen! Besen!
Seid’s gewesen.
Denn als Geister
ruft euch nur, zu seinem Zwecke,
erst hervor der alte Meister.

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Entstehung

Autor Johann Wolfgang von Goethe
Entstehungsjahr 1797
Epoche Weimarer Klassik
Art Ballade
Leitmotive
  • Gefahr der Unkontrollierbarkeit
  • Auseinandersetzung des Menschen mit Wissen und Macht

Goethes Ballade „Der Zauberlehrling“ entstand im Jahr 1797. Dieses Jahr markiert eine Phase intensiver dichterischer Zusammenarbeit zwischen Goethe und Friedrich Schiller und ist auch als das „Balladenjahr“ bekannt.

Die Entstehungshintergründe des Gedichts sind im Kontext der deutschen Klassik zu sehen, die sich einerseits mit der Harmonisierung von Vernunft und Gefühlen sowie andererseits mit der Erziehung des Menschen zu einer sittlichen Reife auseinandersetzte. So weist auch „Der Zauberlehrling“ eine pädagogische Botschaft auf, die zur Vernunft aufruft und vor Leichtsinn und Übermut warnt.

Inhaltlich orientiert sich die Ballade an einer antiken Erzählung („Philopseudes“ von Lukian von Samosata), die von unkontrollierter Magie handelt. Goethe greift diese traditionelle Erzählung auf und formt sie zu einer lehrreichen und humorvollen Ballade um, die den Konflikt zwischen menschlichem Hochmut und der notwendigen Beherrschung von Wissen und Fähigkeiten thematisiert.

Aufbau

„Der Zauberlehrling“ besteht aus insgesamt 14 Strophen, aufgeteilt in 7 „echte“ Strophen und 7 eingerückte Refrainstrophen. Die „echten“ Strophen und Refrainstrophen treten abwechselnd auf.

"echte" Strophen Refrainstrophen
Anzahl 7 von insgesamt 14 Strophen 7 von insgesamt 14 Strophen
Verse 8 Verse pro Strophe 6 Verse pro Strophe
Reimschema abab cdcd
Kreuzreim
effgeg
umarmender Reim, Paarreim & Kreuzreim
Metrum Trochäus
  • Vers 1-4: vierhebiger Trochäus
  • Vers 5-8: dreihebiger Trochäus
Trochäus
  • Vers 1-4: zweihebiger Trochäus
  • Vers 5-6: vierhebiger Trochäus
Kadenz
  • Vers 1-4: klingende/weibliche Kadenz
  • Vers 5-8: abwechselnde Kadenz
  • Vers 1-4: klingende/weibliche Kadenz
  • Vers 5-6: klingende/weibliche Kadenz

Handlung & Interpretation

„Der Zauberlehrling“ beginnt damit, dass der Meister das Haus verlässt und den Lehrling mit den Hausarbeiten zurücklässt. Der Lehrling sieht die Gelegenheit, seine neu erlernten Fähigkeiten zu testen, um die Arbeit zu erleichtern. Er beschwört einen Besen mittels Magie zum Leben, um ihm zu helfen, Wasser zu tragen und die aufgetragenen Aufgaben zu erledigen.

Der Höhepunkt des Gedichts ist, als der Lehrling die Kontrolle über den Besen verliert. Trotz der Versuche, den Besen aufzuhalten, trägt dieser unaufhörlich Wasser und entwickelt sich zu einer unkontrollierbaren Kraft, die das Haus überflutet. Der Lehrling ist machtlos gegen die von ihm entfesselte Macht und steht der von ihm herbeigeführten Katastrophe gegenüber.

Das Ende tritt ein, als der Meister zurückkehrt und die Situation behebt. Er macht den ursprünglichen Zauber rückgängig und bringt den Besen wieder unter Kontrolle.

Das Gedicht dient als Mahnung, die Gefahren der Überheblichkeit zu erkennen und die Verantwortung mit Macht respektvoll zu handhaben. Es dient als Warnung vor einer unreflektierten Anwendung von Macht und Wissen.

Darüber hinaus werden in dem Gedicht diverse Themen behandelt, deren Bedeutung nicht immer eindeutig erkenntlich ist. Die einzelnen Themen lauten wie folgt:

Hochmut und Überheblichkeit

Der Zauberlehrling hat zwar die Fertigkeiten von seinem Meister erlernt, jedoch verfügt er nicht über die notwendige Reife und das vollständige Wissen, um mit solcher Macht verantwortungsvoll umzugehen. Die Situation gerät außer Kontrolle, als er seine Macht nicht mehr kontrollieren und den Zauber nicht umkehren kann.

Dies zeigt, dass bloßes Wissen ohne die notwendige Weisheit gefährlich ist. Die Ballade ist eine Warnung vor menschlichem Hochmut. Es veranschaulicht die Einstellung des Menschen, Dinge zu kontrollieren, die er nicht vollständig versteht.

Respekt und Autorität

Das Verhältnis zwischen dem Meister und dem Lehrling verdeutlicht den Wert und die Notwendigkeit von Erfahrung und Autorität. Der Lehrling führt eine für ihn unkontrollierbare Situation herbei, die schließlich vom Meister gelöst werden muss. Dieser verfügt über die Fähigkeiten, das Problem zu lösen.

Dies kann als Indikator darauf gedeutet werden, dass Erfahrung, Geduld und Weisheit unabdingbar sind. Auch der Respekt vor einer gewonnenen Macht und das Anerkennen von Autoritäten kann hierbei erkannt werden.

Metapher für die menschliche Natur

Die Ballade kann zudem als Metapher für die Natur des Menschen verstanden werden. Dabei repräsentiert der Zauberlehrling den Menschen, der sich neues Wissen aneignet und dieses überstürzt und unüberlegt einsetzt, ohne die drohenden Konsequenzen zu beachten.

Die Handlungen des Zauberlehrlings kennzeichnen das überstürzte und unkontrollierte Handeln des Menschen, das drohende Konsequenzen und Risiken außer Acht lässt und dementsprechend gegen das zur Zeit der Klassik vorherrschende Ideal der Harmonie zwischen Vernunft und Gefühl verstößt.

Erzieherische Dimension

Die pädagogische Botschaft der Ballade beschreibt, dass der Zauberlehrling zwar über Wissen und Fertigkeiten verfügt, um seine Macht auszuüben, allerdings nicht die Reife und die Fähigkeiten besitzt, um seine Macht verantwortungsvoll einzusetzen und auch zu kontrollieren.

Das Gedicht betont, dass reines Wissen nicht ausreichend ist. Um eine angeeignete Macht oder Fertigkeit zu kontrollieren, bedarf es auch der Fähigkeit, diese Macht überlegt und verantwortungsvoll einzusetzen.

Sprache

Die sprachlichen Besonderheiten des Gedichts ergeben sich daraus, dass die Ballade epische, dramatische und lyrische Elemente vereint. Durch die einheitliche Versstruktur und den einheitlichen Aufbau des Gedichts entsteht zudem eine rhythmische Struktur.

Das Gedicht hat keinen Erzähler, sondern folgt den Worten des Zauberlehrlings. Dies erzeugt eine besondere Dynamik und verstärkt die Darstellung der zunehmenden Panik und Verzweiflung des Zauberlehrlings, die sowohl auf erzählerischer als auch auf sprachlicher Ebene erkennbar sind. Nur die letzte Refrainstrophe gibt die Worte des Meisters wider.

Zudem werden viele sprachliche Mittel innerhalb des Textes verwendet. Eine Übersicht über die wichtigsten Stilmittel des Gedichts findest du im Folgenden:

Eine zentrale stilistische Besonderheit sind die vielen Wiederholungen. Diese Wiederholungen unterstreichen die unaufhaltsame Macht und die Dynamik der Handlung.

Beispiele

  • Walle! Walle!
  • Stehe! Stehe!

Die Anaphern tragen zur Steigerung der Dramatik bei. Diese sich wiederholenden Satzanfänge verleihen dem Gedicht ein rasches Tempo und spiegeln die steigende Hektik wider.

Beispiele

  • Will dich fassen, will dich halten
  • Welche Miene! Welche Blicke!

Goethe verwendet Alliterationen, um die klangliche Wirkung des Gedichts zu verstärken. Die wiederkehrenden Anfangsbuchstaben aufeinanderfolgender Wörter verleihen eine zusätzliche klangliche Dimension.

Beispiele

  • Seine Wort‘ und Werke
  • Und sie laufen! Naß und nässer

Die Personifikation des Besens unterstützt die Botschaft des Gedichts. Der Besen erhält menschliche Eigenschaften und agiert eigenständig, was die groteske Situation des Lehrlings noch verstärkt.

Beispiele

  • Seht, er läuft zum Ufer nieder;
  • Seht, da kommt er schleppend wieder!

Der Lehrling verwendet Imperative, um Befehle zu geben und die Situation unter Kontrolle zu bringen. Die Befehle verstärken das Gefühl der Dringlichkeit und zeigen die zunehmende Verzweiflung.

Beispiele

  • Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!
  • Stehe! Stehe!

Der Zauberlehrling von Paul Dukas

„Der Zauberlehrling“ (Originaltitel: L’Apprenti sorcier) von Paul Dukas ist eine sinfonische Dichtung, basierend auf der Ballade von Johann Wolfgang von Goethe. Das Werk wurde 1897 komponiert und ist eines der bekanntesten Werke von Dukas.

Besondere Relevanz erhielt die Komposition auch durch Disneys Verfilmung von „Fantasia“ (1940), wo Micky Maus die Rolle des Zauberlehrlings übernimmt.

Musikalische Umsetzung

Paul Dukas setzt diese Geschichte in seiner Komposition mit einer klaren musikalischen Struktur um. Die Musik beginnt ruhig und beschreibt die Vorbereitungen des Lehrlings. Daraufhin spiegelt die Musik mit zunehmender Intensität das unkontrollierte Chaos wider, als der Besen immer mehr Wasser herbeibringt.

Die wiederholten musikalischen Themen und die dynamische Steigerung der Musik repräsentieren die zunehmende Verzweiflung des Zauberlehrlings, bevor der Meister das Chaos mit einem finalen musikalischen Höhepunkt abrupt beendet.

Häufig gestellte Fragen

Die Geschichte warnt vor den Gefahren der Überheblichkeit und der unkontrollierten Nutzung von Macht.

Es handelt sich bei „Der Zauberlehrling“ um eine Ballade, also eine Gedichtform, die eine narrative Geschichte erzählt und oft von Dramatik und Rhythmus geprägt ist.

In „Der Zauberlehrling“ will der Zauberlehrling, in Abwesenheit seines Meisters, einen Zauberspruch nutzen, um einen Besen dazu zu bringen, Wasser für ihn zu holen. Zunächst gelingt der Zauber, doch der Lehrling verliert die Kontrolle, da er den Spruch nicht rückgängig machen kann. Der Besen bringt immer mehr Wasser herbei, bis der Lehrling in seiner Verzweiflung erfolglos versucht, ihn zu stoppen. Schließlich kehrt der Meister zurück und beendet den Zauber.

Neben seiner Eingängigkeit und seiner kraftvollen Sprache bietet das Gedicht zeitlose Lehren über die menschliche Natur und die Verantwortung im Umgang mit Macht.