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10.05.21 Weitere Forschungsmethoden Lesedauer: 6min

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Diskursanalyse

Die Methode der Diskursanalyse hat eine komplexe und unübersichtliche Begriffsgeschichte. Von frühen Erwähnungen des Fachbegriffs ‚Diskurs‘ in amerikanischen literaturwissenschaftlichen Werken der 1920er bis hin zu den Arbeiten von Michel Foucault oder zeitgenössischen Arbeiten kann es schwierig erscheinen, eine klare Methodik für die eigene Diskursanalyse zu finden.

Im folgenden Text soll es deswegen darum gehen, dir eine praktische Anleitung zur Diskursanalyse mit verständlichen Definitionen – basierend auf den wichtigsten theoretischen Werken – zu bieten.

Häufig gestellte Fragen

Ein Diskurs ist, nach Michel Foucault, nicht nur eine einzelne sprachliche Äußerung, sondern die gesamte historische Einbettung dieser Äußerung in einen breiteren Kontext. Dadurch wird bestimmt, welche Aussagen in einer jeweiligen Gesellschaft und Zeitepoche als ‚wahr‘ oder ‚relevant‘ angesehen werden.

Bei der Diskursanalyse geht es darum, bestehende Wahrheitsordnungen zu hinterfragen und zu untersuchen, was in einer gegebenen Gesellschaft als ‚Wirklichkeit‘ akzeptiert wird.

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  • Michel Foucault: „Die Ordnung des Diskurses“ -> Theorie
  • Michel Foucault: „Die Archäologie des Wissens“ -> Theorie
  • Siegfried Jäger: „Kritische Diskursanalyse – Eine Einführung“ -> Konkrete Anleitung
  • Welches Wissen wird als wahrheitsgültig anerkannt?
  • Welche Identitäten und Verhaltensweise werden durch Diskurse legitimiert, welche ausgeschlossen oder delegitimiert?
  • Kulturwissenschaft und Sprachwissenschaft: verschiedene Bereiche der Kultur und des Sprachaustauschs (Nachrichtenübertragungen, Politik, Fernsehserien)
  • Literaturwissenschaft: Analyse jeglicher literarischer Werke auf ihre Diskursebenen
  • Soziologie: Analyse zahlreicher sozialwissenschaftlich relevanter Phänomene (Diskussionen über Rassismus, soziale Ungleichheit usw.)
  • Auch Anwendungsmöglichkeiten in der Psychologie oder Philosophie denkbar

Definition: Diskursanalyse

Der mit Abstand einflussreichste Theoretiker im Bereich der Diskursanalyse ist der verstorbene Philosoph und Historiker Michel Foucault. In seinen Werken „Die Ordnung des Diskurses“ und „Die Archäologie des Wissens“ definierte er die Grundlagen für die moderne Methode der Diskursanalyse. Foucault zufolge steht bei Diskursen das wechselseitige Erkennen von Identitäten und Verhaltensweisen im Vordergrund.

Konkret heißt das: wir reproduzieren Diskurse, wenn wir Sprache, Handlungen, Interaktionen, Werte, Überzeugungen, Symbole, Objekte, Werkzeuge und Orte in einer Weise zusammenführen, sodass andere uns als einen bestimmten Typus von Identität (z. B. ‚weibliche Frau‘, ‚belesene Person‘, ‚Familienmensch‘) erkennen. Diese Diskurse sind immer eingebettet in ein Geflecht von sozialen Institutionen und beinhalten verschiedene ‚Requisiten‘ wie Bücher und Zeitschriften verschiedener Art, Klassenzimmer oder Büroräume, bestimmte Gebäude verschiedener Art, verschiedene Technologien und vieles mehr.

Bei der Diskursanalyse geht es darum, bestehende Wahrheitsordnungen zu hinterfragen und zu untersuchen, was in einer gegebenen Gesellschaft als ‚Wirklichkeit‘ oder ‚angemessenes Verhalten‘ akzeptiert wird. Manchmal ist es hilfreich, über soziale und politische Themen so zu denken, als wären es nicht nur Menschen, die miteinander reden und interagieren, sondern die Diskurse, die wir repräsentieren und veranstalten, und für die wir ‚Träger‘ sind. Dies beinhaltet laut Foucault, dass bestimmte Diskurse durch die Machtausübung sowie Wissensverwaltung verschiedener Institutionen (Politik, Nachrichten, Militär) legitimiert werden, die mithilfe der Diskursanalyse kritisch hinterfragt werden sollten. Da diese Themen breit gefächert sind, kann man die Diskursanalyse in zahlreichen geisteswissenschaftlichen Fachbereichen anwenden. Dazu zählen Soziologie, die Literatur-, Sprach-, Politik- und Kulturwissenschaften, oder sogar Philosophie oder Psychologie.

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Anleitung zur Diskursanalyse

Eines der zentralen Werke für die erweiterte Form von Foucaults Diskursanalyse ist Siegfried Jägers „Kritische Diskursanalyse – Eine Einführung“, weil es eine methodisch klar abgegrenzte, praktisch anwendbare Anleitung für die Diskursanalyse bietet. Die folgenden Ausführungen fassen die wichtigsten Aspekte aus Jägers Werk zusammen.

Diskursanalyse Auswahl und Definition

Auswahl des Diskursgegenstand und Definition der Fragestellung

Zuerst geht es darum ein angemessenes Thema – also den Diskursgegenstand aus deiner jeweiligen Fachrichtung – zu finden und darauf basierend eine Fragestellung zu entwickeln. Hierzu grenzt du kurz dein zu analysierendes Thema von anderen Diskursgegenständen ab. Du solltest dabei vor allem beachten, dass du auch dein spezifisches Themengebiet (z. B. Rassismus, Geschlechterstereotypen etc.) und deine Methodik vorab definieren solltest.

Diskursanalyse Charakterisieren

Charakterisieren der Diskursebene

Wichtig bei der Diskursebene ist, dass du deinen Diskursgegenstand in einen breiteren Kontext einordnest. Zu diesen Diskursebenen können Politik, Rassismus- oder Geschlechterdebatten, Geschichte usw. gehören. Es kann hilfreich sein, deine Diskursebene in mehrere Unterpunkte einzuteilen (z. B. Politik -> konkrete Maßnahmen, Debatten, etc.).

Diskursanalyse Materialgrundlage bestimmen

Materialgrundlage bestimmen

Hier solltest du die formale Grundlage deiner Analyse festlegen. Dabei ist entscheidend, dass du z. B. für die Analyse einer Nachrichten-Reportage oder eines literarischen Werks bestimmst, welchen Abschnitt oder welche Passage für deine Fragestellung relevant sein soll. Diesen, wie Jäger es nennt, „Korpus“ gilt es stark einzugrenzen, damit du und dein Leser wissen, was gerade analysiert wird.

Diskursanalyse Analyse des Materials

Analyse des Materials in drei Schritten

Die Diskursanalyse deines Materials folgt einem dreisträngigen Aufbau.

1. Bei der Strukturanalyse geht um die grundlegenden Rahmenbedingungen und Fakten deines Diskursgegenstands. Hierzu können zählen:

(nicht) angegebene Quellenangaben
Identität des/der Autorin und dessen/deren Situierung in einem größen Kontext
Datum / Adressaten
Titelsorten (Untertitel, Überschriften etc.)
Visuelle Aspekte (Bilder, Grafiken, Statistiken)
Anlass und mögliche Intention(en)

2. Die Feinanalyse befasst sich mit den spezifischen Aspekten deines Diskursgegenstands, die es systematisch zu untersuchen gilt. Hierfür wichtige Aspekte sind:

Der institutionelle Rahmen des Diskursgegenstands
Das Medium und dessen spezielle Eigenschaften und Einschränkungen
Textoberfläche: Sinnabschnitte, Hauptaussagen oder Themenschwerpunkte
Stilmittel, rhetorische Strategien und das sogenannte 'Framing'
Ideologische Vorannahmen, Wertungen

3. Bei der Gesamtanalyse ist entscheidend, dass du die Aspekte deiner Strukturanalyse auf die Feinanalyse anwendest. Hier könnte beispielsweise relevant sein, dass in ideologisch vorgeprägten Reportagen Statistiken genutzt und visuell eingeblendet werden, um eine bestimmte ideologische Position zu legitimieren.

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Anwendungsbeispiel für eine Diskursanalyse

Diskursgegenstand und Fragestellung:

Darstellung von einkommensschwachen, Schwarzen Familie im Roman „The Sky is Gray“ (1963) des US-amerikanischen Autors Ernest J. Gaines
-> Fragestellung: Wie werden in Ernest J. Gaines‘ Roman „The Sky is Gray“ die in den 60ern kaum repräsentierten Schwarzen Familien im Süden der USA dargestellt, wenn man die diskursiven Wahrheits- und Wirklichkeitsansprüche der damaligen Bürgerrechtsbewegung in Betracht zieht?

Diskursebene charakterisieren:

Rassismus als Themenschwerpunkt mit verschieden Unterthemen:
-> Antirassistische Bürgerrechtsbewegung (Civil Rights Movement) in den späten 50ern und 60ern
-> Massenarmut
-> in gesellschaftlichen Diskursen unterrepräsentierte Gruppen

Materialgrundlage für die Diskursanalyse bestimmen:

Einzelne Textpassagen im Roman selektieren, nach Relevanz zum Diskursgegenstand sowie zur Fragestellung ordnen und Gemeinsamkeiten zwischen den Passagen herausarbeiten.

1. Strukturanalyse

Beispielhafte Aspekte:
– Situierung des Autors und Publikationsdatums -> in den frühen 1960er Jahren gab es nur wenige Schwarze Autoren, die in der breiteren Öffentlichkeit anerkannt waren
– Kontext der breiteren Protestbewegungen (s. o.)

2. Feinanalyse

Spezifische rhetorische und stilistische Analyse von Textpassagen im Roman, die das Leben der mehrheitlich von Armut betroffenen Familien klar herausstellen und problematisieren, sowie damals kaum bekannte demographische Gruppen (‚Creole‘ und ‚Cajun‘) repräsentieren.

3. Gesamtanalyse

Der Roman liefert diskursiv einen Gegenpol zu der Unterrepräsentation von einkommensschwachen, schwarzen Familien im Süden der USA und ist im Einklang zu bringen mit den Bürgerrechtsbewegungen der 1960er. Gleichermaßen repräsentiert der Roman Gruppen, die für die breitere Leserschaft der 1960er eher unbekannt waren.

Zusammenfassung

  • Diskurse sind nicht nur einzelne Äußerungen, sondern die Einbettung dieser Äußerungen in einen breiteren historischen Kontext
  • Michel Foucault als wichtigster Theoretiker
  • Diskursanalyse: bestehende Wahrheitsordnungen hinterfragen und Konzeptionen von ‚Wirklichkeit‘ oder ‚angemessenen Verhalten‘ analysieren
  • Anwendungsmöglichkeiten der Diskursanalyse breit gefächert (Literaturwissenschaft, Soziologie etc)
  • Rahmenbedingungen (Fragestellung, Diskursebene usw. immer vorab klar definieren)
  • Dreisträngige Methode bei der Diskursanalyse beachten und aufeinander aufbauen