Die Forschungsfrage ist der Dreh- und Angelpunkt einer wissenschaftlichen Arbeit. Sie ist dein funktionaler Zugang, um dem Erkenntnisinteresse deines Projekts nachzugehen und konkrete wissenschaftliche Ergebnisse zu erzielen. Hier findest du die Kriterien, nach denen du die Qualität deiner Forschungsfrage testen und zugunsten einer aussagekräftigen, wissenschaftlich relevanten Arbeit optimieren kannst.
Definition: Forschungsfrage testen
Die Forschungsfrage dient einer wissenschaftlichen Arbeit als Fixpunkt. Sie bestimmt die Zielsetzung, die angewandte Methodik und den inhaltlichen Fokus. Alle Bestandteile deiner wissenschaftlichen Arbeit haben sich daran zu messen, inwieweit sie der Beantwortung der Forschungsfrage dienlich sind.
Eine ungünstig formulierte Forschungsfrage ist der Hauptgrund für mangelhafte Abschlussarbeiten und Wissenschaftsprojekte. Daher ist es ratsam, die Grundprinzipien wissenschaftlicher Arbeit abzurufen und jede Forschungsfrage auf sie zu testen. Es ist zu prüfen, ob der durch die Forschungsfrage antizipierte Arbeitsinhalt
- wissenschaftlichen Ansprüchen genügt,
- tatsächlich zu einem faktenbasierten Forschungsergebnis führt,
- ob eine Beantwortung der Frage im zeitlich gesetzten Rahmen möglich ist und
- die vorhandenen Methoden, Gerätschaften oder der Stand der Forschung dazu ausreichen.
Für eine wissenschaftlich zufriedenstellende Forschungsfrage müssen diese Aspekte erfüllt sein, da deine wissenschaftliche Arbeit sonst keinen Erkenntnisgewinn verspricht.
Forschungsfrage testen: Kriterien
Möchtest du deine Forschungsfrage testen, musst du die folgenden Kriterien beachten:
Wissenschaftliche Erforschbarkeit
Die wissenschaftliche Erforschbarkeit bezieht sich auf die Verfügbarkeit von Daten, die zur Beantwortung der Forschungsfrage nötig sind. Du musst deine Forschungsfrage also darauf testen, ob der in ihr genannte Forschungsgegenstand existiert und beobachtet werden kann oder ob seine Existenz zunächst nachgewiesen werden muss.
Praktikabilität
Die Praktikabilität (oder Durchführbarkeit) fragt nach den zeitlichen und technischen Bedingungen vor Ort. Das heißt, dass du deine Forschungsfrage darauf testen musst, dass sie nur Mittel einfordert, die dir tatsächlich zur Verfügung stehen. Insbesondere studentische Arbeiten scheitern häufig an zu ambitionierten Forschungsfragen, die nach umfangreichen empirischen Studien, Material oder finanziellen Ressourcen verlangen.
Spezifik
Solltest du deine Forschungsfrage testen, ist es von erheblicher Bedeutung, darauf zu achten, dass sie sehr spezifisch auf die Gegenstände ausgerichtet ist, die du tatsächlich untersuchst. Eine zu allgemeine Forschungsfrage suggeriert den Anspruch, dass deine Arbeit den gesamten Themenbereich erschöpfend behandelt.
Relevanz
Wenn du die Relevanz deiner Forschungsfrage testen möchtest, solltest du dich nicht am gesellschaftlichen Mehrwert orientieren, sondern an der Verwendbarkeit deiner Ergebnisse in ihrem jeweiligen Fachbereich.
Die Freiheit der Wissenschaft ist ein hohes Gut und muss nicht durch einen unmittelbaren Verwendungszweck gerechtfertigt werden (wenngleich gesellschaftlicher Mehrwert nicht schadet!). Vielmehr besteht die Relevanz deiner Arbeit darin, inwieweit sie offene (Teil-)Fragen der Forschung beantwortet und Beiträge zu einem größeren Diskurs liefert.1
Originalität
Zuletzt solltest du darauf achtgeben, dass deine Forschungsfrage ein Mindestmaß an Originalität aufweist. Originalität heißt in diesem Zusammenhang nicht, dass du eine besonders clevere Frage formulieren oder einen bahnbrechenden Gedanken zum Ausdruck bringen musst. Vielmehr solltest du deine Forschungsfrage darauf testen, ob sie in exakt dieser Form bereits in einem anderen Forschungsprojekt vorkam. Ist dies der Fall, wiederholst du (unnötigerweise) die Arbeit eines anderen.
Es genügt, die Perspektive leicht zu verändern, um einer ähnlichen Forschungsfrage das gewünschte Maß an Originalität zu verleihen und neue Erkenntnisse zu generieren.
Deine Forschungsfrage testen
Im Folgenden erhältst du konkrete Hinweise, um deine Forschungsfrage testen und optimieren zu können.
Formulierung der Forschungsfrage
Möchtest du deine Forschungsfrage formulieren, solltest du einige Aspekte beachten, die du einhalten bzw. vermeiden solltest. Deine Forschungsfrage sollte sich nach Möglichkeit
- auf einen Satz beschränken,
- offen formuliert und
- dezidiert beantwortbar sein.
Vermeide dabei eine Ausrichtung auf Ja-oder-Nein-Antworten. Zwar ist es (insbesondere in der quantitativen Forschung) legitim, Forschungsprojekte auf die Bestätigung oder die Falsifizierung einer Hypothese auszurichten, wissenschaftlich wird es jedoch erst, wenn du Messdaten/Beobachtungen und Analysen lieferst, die aufzeigen, wie genau der Forschungsgegenstand im Hinblick auf die Forschungsfrage beschaffen ist.
Das Wort „inwiefern“ kann dir dabei helfen, eine auf Bestätigung oder Falsifikation ausgerichtete Forschungsfrage gewinnbringend zu erweitern. Darüber hinaus solltest du deine Forschungsfrage darauf testen, ob sie Teilfragen (als Unterkapitel deiner Arbeit) zulässt und keine selbsterklärende/banale Antwort nahelegt. Ferner musst du deine Forschungsfrage darauf testen, ob sie logische Widersprüche enthält oder auf subjektive Einschätzungen abzielt. Beides solltest du vermeiden.
- Formulierung in einem Satz
- Offene Fragestellung
- Begründete Beantwortbarkeit
- Teilfragen ermöglichen
- Ja-oder-Nein-Antworten
- Widersprüche
- Selbsterklärende Beantwortung
- Abzielen auf subjektive Einschätzung
Eingrenzung des Themas
Um eine spezifische Forschungsfrage zu formulieren, stellst du neben dem Thema auch die Perspektive vor, unter der du es betrachten möchtest. Durch Formulierungen wie „im Hinblick auf“ oder „unter Berücksichtigung von“ kannst du sie auf ein bearbeitbares Maß begrenzen.
Zudem solltest du das verwendete Vokabular innerhalb deiner Forschungsfrage testen. Verwende nur Begriffe, die du eindeutig definieren kannst, die unstrittig sind oder deren Auslegung Gegenstand deiner Arbeit ist.
Funktion der Forschungsfrage
Die Forschungsfrage ist das Zentrum einer wissenschaftlichen Arbeit. Sie bildet sowohl den inhaltlichen Leitfaden als auch den Erwartungshorizont von Lesern (und Prüfern). Alle Inhalte, Erläuterungen und Methoden messen sich daran, inwieweit sie der Beantwortung der Forschungsfrage dienen.
Dementsprechend musst du deine Forschungsfrage darauf testen, ob sie alle Analysegegenstände benennt und nahelegt und welche Methodik für das Forschungsvorhaben angemessen ist. Ferner erhebt die Forschungsfrage den inhaltlichen Anspruch, im Fazit der Antwort aufgegriffen und beurteilt zu werden.2
Forschungsfrage testen: Beispiele
Wir haben drei Positiv- und Negativbeispiele formuliert, an denen du deine eigene Forschungsfrage testen kannst. Auf die Bewertung der Originalität wird bei unseren Beispielen verzichtet, da es sich hierbei um ausgedachte Forschungsfragen handelt.
⇒ Negativbeispiel
Erforschbarkeit
Unklar
Praktikabilität
Unklar
Spezifik
Nein
Relevanz
Nein
Die Forschungsfrage ist sehr vage formuliert und nimmt keinerlei Eingrenzungen vor. Zudem ist der Begriff „Lieblingsspeise“ nicht genau definiert. Daher sind die Kriterien nicht erfüllt. Um eine Bearbeitung zu ermöglichen, müsste die Forschungsfrage konkretisiert werden.
⇒ Positivbeispiel
Erforschbarkeit
Ja
Praktikabilität
Ja
Spezifik
Ja
Relevanz
Ja
Die Forschungsfrage definiert den Forschungsgegenstand und den Umfang der Forschung exakt. Zudem verrät die Forschungsfrage bereits, inwiefern der Forschungsgegenstand analysiert wird und nennt die Schlüsselbegriffe der wissenschaftlichen Arbeit.
⇒ Negativbeispiel
Erforschbarkeit
Praktikabilität
Spezifik
Relevanz
Die Forschungsfrage ist zu allgemein formuliert und müsste vor der Bearbeitung konkretisiert werden, denn sonst müssen die beiden Themen „Braunkohleabbau“ und „Klimawandel“ vollumfänglich in der wissenschaftlichen Arbeit behandelt werden. Dies sorgt für eine ungewisse Erforschbarkeit und Praktikabilität. Die wissenschaftliche Relevanz des Themas ist allerdings gegeben.
⇒ Positivbeispiel
Erforschbarkeit
Praktikabilität
Spezifik
Relevanz
Die Forschungsgegenstände sind bei dieser Forschungsfrage explizit genannt und sind auf einen Vergleich ausgerichtet. Auch die wissenschaftliche, sowie auch eine gesellschaftliche, Relevanz ist gegeben. Aufgrund der genauen Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes und dem Vergleichsobjekt ist auch die Spezifik dieser Forschungsfrage sehr hoch.
⇒ Negativbeispiel
Erforschbarkeit
Praktikabilität
Spezifik
Relevanz
Diese Forschungsfrage erfüllt zwar die Kriterien der Erforschbarkeit, Praktikabilität und Spezifik. Das Problem dieser Forschungsfrage ist, dass sie sich mit einem fiktiven Ereignis befasst (TV-Serie: Game of Thrones). Daher besteht bei dieser Forschungsfrage keine Relevanz, denn fiktive Ereignisse sind kein relevanter Forschungsgegenstand, solange die Mittel der Fiktion nicht Teil der Analyse sind.
⇒ Positivbeispiel
Erforschbarkeit
Praktikabilität
Spezifik
Relevanz
Die Forschungsfrage hat besondere gesellschaftliche Relevanz und nennt die erforderlichen Daten, die im Rahmen der Arbeit analysiert und gegenübergestellt werden. Durch die genauen Beschreibungen der einzelnen Bestandteile der Frage, ist auch die Spezifik dieser Frage sehr hoch. Alle Kriterien werden bei dieser Forschungsfrage erfüllt.
Häufig gestellte Fragen
Die Qualität einer Forschungsfrage bemisst sich an der wissenschaftlichen Erforschbarkeit, der Praktikabilität und Spezifik des Forschungsgebiets sowie der Relevanz für den jeweiligen Fachbereich.
Eine Forschungsfrage muss nicht immer einen gesellschaftlichen Nutzen haben. Die Relevanz bemisst sich daran, inwiefern sie offene (Teil-)Fragen/Probleme ihres Fachbereichs bearbeitet und zur Vervollständigung wissenschaftlicher Erkenntnisse beiträgt.
Die Praktikabilität bezieht sich auf die Durchführbarkeit deines wissenschaftlichen Vorhabens. Wenn du die Praktikabilität deiner Forschungsfrage testen möchtest, musst du prüfen, ob sie theoretisch beantwortbar ist und ob du praktische Maßnahmen ergreifen kannst, um ihr nachzugehen.
Eine Forschungsfrage sollte so ausführlich wie nötig sein. Sie muss dezidiert zum Ausdruck bringen, welchen Gegenstand du unter welchen Gesichtspunkten analysierst.
Eine Forschungsfrage muss mithilfe von Beobachtungen/Daten oder logischen Herleitungen beantwortbar sein, sollte Antwortmöglichkeiten nur bedingt suggerieren (zum Beispiel, wenn ausdrücklich zwei Möglichkeiten geprüft werden) und darf sich nicht auf Meinungen respektive persönliche Einstellungen ausrichten.
Quellen
1 Universität Bonn: Leitfaden zur Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten in der Abteilung Medienwissenschaft, in: medienwissenschaft.uni-bonn.de, Januar 2019, [online] https://www.medienwissenschaft.uni-bonn.de/downloads-und-links-1/leitfaden-zur-erstellung-wissenschaftlicher-arbeiten-in-der-abteilung-medienwissenschaft-stand-januar-2019.pdf (zuletzt abgerufen am 03.02.2023)
2 Universität Siegen: Kurzer Leitfaden zum Verfassen wissenschaftlicher Hausarbeiten 2.0, in: bildung.uni-siegen.de, o. D., [online] https://www.bildung.uni-siegen.de/grundschule/files/leitfaden.pdf (zuletzt abgerufen am 03.02.2023)