Unter einer Fremdbeobachtung versteht man das Beobachten einer anderen Person oder mehrerer anderer Personen. Bei der Beobachtung von anderen Personen versucht die beobachtende Person einen objektiven Blick auf die Situation und das Verhalten zu haben. Sie bildet das Gegenteil zur Selbstbeobachtung. In diesem Beitrag erfährst du alles zum Thema „Fremdbeobachtung“. Außerdem gibt es eine Anleitung, wie du eine Fremdbeobachtung durchführen kannst.
Definition: Fremdbeobachtung
Die Fremdbeobachtung ist eine Methodik, mit der das systematische Beobachten von Verhalten, Aktivitäten und Situationen bezeichnet wird, durch Personen, die in den meisten Fällen nicht selbst beteiligt sind. Dadurch wird versucht, eine objektive und unvoreingenommene Perspektive zu erlangen, damit die Situation unverfälscht erfasst werden kann. Hiermit können neue Erkenntnisse gewonnen und Verhaltensweisen analysiert werden. Der Einsatz der Fremdbeobachtung ist vielfältig und erfolgt unter anderem im pädagogischen Bereich oder bei der Persönlichkeitsentwicklung. Des Weiteren benutzen manche Forscher diese Forschungsmethoden in der Psychologie.
Vorgehensweisen
Es gibt verschiedene Vorgehensweisen, um eine Fremdbeobachtung durchzuführen, dabei kommt es ganz auf den Forschungszweck, die Forschungsfragestellung, die Ressourcen und die ethischen Überlegungen an. Denn jede der Methoden besitzt ihre eigenen Anwendungsgebiete sowie Vor- und Nachteile. Hier folgen die bekanntesten Vorgehensweisen, um andere Personen zu beobachten:
Strukturierte vs. unstrukturierte Beobachtung
Strukturierte Beobachtung: Bei dieser Methode wird eine Checkliste mit vorher festgelegten Verhaltensweisen verwendet. Dadurch können bestimmte Verhaltensweisen und Ereignisse systematisch und standardisiert erfasst werden.
Unstrukturierte Beobachtung: Es gibt kein festgelegtes Beobachtungsschema, es wird nur notiert, was der Beobachter als relevant empfindet. Dies ist bei Studien hilfreich, in denen noch wenig über das zu beobachtende Phänomen bekannt ist.
Teilnehmende vs. nicht-teilnehmende Beobachtung
Teilnehmende Beobachtung: Der Beobachter ist ein aktiver Teilnehmer in der beobachteten Gruppe, mit der besonderen Aufgabe der Beobachtung. Die Beobachtung bleibt meist bleibt für die anderen Teilnehmer verborgen.
Nicht-teilnehmende Beobachtung: Der Beobachter ist ein passiver Zuschauer und greift nicht ins Geschehen ein, dabei kann seine Präsenz bekannt oder verdeckt sein. Hierbei nimmt der Beobachter nur eine passive Beobachterrolle ein.
Verdeckte vs. offene Beobachtung
Verdeckte Beobachtung: Die beobachteten Personen haben kein Wissen darüber, dass sie beobachtet werden, wodurch das Verhalten unverfälschtes bleibt. Hierbei sind immer ethische Fragen zu prüfen.
Offene Beobachtung: Die beobachteten Personen wissen, dass sie beobachtet werden, dadurch kann jedoch das Verhalten beeinflusst werden. Diese Form wird als ethisch korrekter angesehen.
Zeitstichproben- vs. Ereignisproben-Beobachtung
Zeitstichproben-Beobachtung: Verhaltensweisen werden in bestimmten Intervallen erfasst und nicht durchgängig über einen längeren Zeitraum.
Ereignisproben-Beobachtung: Es werden nur spezifische Ereignisse und Verhaltensweisen beobachtet und erfasst.
Stationäre vs. mobile Beobachtung
Stationäre Beobachtung: Die Beobachtung findet nur an einem Ort statt.
Mobile Beobachtung: Der Beobachter bewegt sich zur Verfolgung in der Umgebung.
Natürliche vs. Labor-Beobachtung
Natürliche Beobachtung: Die Beobachtung findet ohne Eingreifen in der natürlichen Umgebung der beobachteten Person statt.
Labor-Beobachtung: Die Beobachtung findet in einer kontrollierten Umgebung statt, bei der die Bedingungen von Forschern festgelegt werden.
Als nützliche technische Hilfsmittel dienen der Fremdbeobachtung Video- und Audioaufnahmen. Durch diese kann im Nachhinein das Beobachtungsmaterial genauer analysiert und ausgewertet werden. Besonders förderlich wird dies bei einer Beobachtung mit hoher Detailtreue.
Schritt-für-Schritt-Anleitung
Eine Fremdbeobachtung muss systematisch geplant und durchgeführt werden. Deshalb sind die Regeln zur Vorbereitung und Durchführung ebenso wichtig, wie flexibel auf unerwartete Herausforderungen zu reagieren.
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Definiere deine Forschungsfrage
Was genau möchtest du beobachten und warum möchtest du es beobachten?
Was möchtest du genau mit der Fremdbeobachtung herausfinden?
Welche Verhaltensweisen könnten dafür relevant sein und wo kannst du diese beobachten? -
Wähle deinen Beobachtungsort aus
Wo soll die Fremdbeobachtung stattfinden?
Soll die Beobachtungsumgebung natürlich oder kontrolliert sein?
Soll die Fremdbeobachtung nur an einem oder an verschiedenen Orten stattfinden? -
Entscheide dich für eine Art der Beobachtung
Welche Beobachtungsmethode ist für deine Forschung am besten geeignet?
Welche Vorteile bietet dir diese Form der Beobachtung?
Welche Nachteile bringt diese Form mit sich und wie kannst du diese vermeiden? -
Entwickle dein persönliches Kodierungsschema
Wie wird das beobachtete Verhalten kategorisiert?
Wie werden die beobachteten Ereignisse eingeordnet?
Wie werden die Beobachtungsergebnisse analysiert? -
Führe eine Pilotstudie durch
Sind alle Aspekte der Forschungsfrage in dein geplantes Vorgehen integriert?
Können alle notwendigen Informationen mit deiner geplanten Fremdbeobachtung erfasst werden?
Ist es eventuell hilfreich, eine Pilotstudie durchzuführen, um dein Vorgehen zu testen? -
Entwickle deine ethische Überlegung
Welche ethischen Faktoren sind bei deiner Beobachtung zu berücksichtigen?
Sind, falls notwendig, alle Beteiligten ausreichend informiert?
Haben alle Beteiligten, falls erforderlich, ihre Zustimmung gegeben, dass du sie beobachten darfst? -
Wähle eine Art der Datenerfassung
Wie erfasst du bei der Durchführung alle relevanten Daten?
Möchtest du alles direkt beobachten und notieren und auf technische Hilfsmittel verzichten?
Möchtest du technische Hilfsmittel verwenden, um später weitere Details betrachten zu können? -
Führe eine Datenanalyse durch
Welche der gesammelten Daten sind für deine Forschung relevant?
Wie analysierst du deine Daten entsprechend deiner Forschungsfrage?
Welche Analysetools möchtest du verwenden? -
Interpretation deiner Ergebnisse
Welche Schlussfolgerungen ziehst du aus deinen Forschungsergebnissen für deine Forschung?
Welche Einschränkungen hatte deine Fremdbeobachtung, die du nicht beeinflussen konntest?
Erfüllen deine Beobachtungsergebnisse die Gütekriterien wissenschaftlicher Forschung?
Mögliche Beobachtungsfehler
Durch verschiedene Beobachtungsfehler können die Zuverlässigkeit und Gültigkeit der gesammelten Daten in der Fremdbeobachtung beeinträchtigt werden. Beim Abwägen der Vor- und Nachteile ist es wichtig, sich diesen Fehlern bewusst zu werden, um sie zu vermeiden.
- Halo-Effekt: Durch die Beeinflussung eines besonders auffälligen Merkmals oder Verhalten wird der Beobachter beeinflusst und bewertet weitere Aspekte der Forschung aufgrund dieser Auffälligkeit.
- Rosenthal-Effekt: Durch die Erwartungen des Beobachters werden die Wahrnehmung und Interpretation der beobachteten Person beeinflusst.
- Hawthorne-Effekt: Dieser Effekt bezeichnet ein Phänomen, bei dem Menschen ihr Verhalten durch das Bewusstsein ändern, dass sie beobachtet werden.
- Zentrale Tendenz: Es werden extreme Bewertungen vermieden, weil man dazu neigt, Verhaltensweisen in der Mitte der Bewertungsskala einzustufen.
- Kontrasteffekt: Das Verhalten zweier beobachteter Personen wird im Vergleich zueinander bewertet, wodurch der Fokus auf dem Vergleich leigt und nicht auf dem Verhalten.
- Primacy-Effekt vs. Recency-Effekt: Der erste Eindruck der beobachteten Person beeinflusst die gesamte Bewertung oder die letzten Eindrücke haben einen stärkeren Einfluss auf die Gesamtbewertung.
- Selektive Wahrnehmung: Basierend auf den eigenen Vorurteilen, Werten und Interessen werden bestimmte Verhaltensmuster und Merkmale stärker wahrgenommen als andere.
Vor- und Nachteile
Wie bei jeder Beobachtungsmethode hat auch die Fremdbeobachtung ihre Vor- und Nachteile.
Objektivität
Beeinflussung des Verhaltens (Hawthorne-Effekt)
Unverfälschtes Verhalten möglich
Ethische Bedenken und Problematiken
Detaillierte Beobachtungsdaten
Kein Zugang zu inneren Zuständen/Emotionen
Erfassung nonverbaler Kommunikation
Möglichkeit von Interpretationsfehlern
Unterschied von Fremd- und Selbstbeobachtung
Als Gegensatz zur Fremdbeobachtung gibt es zur Datenerhebung noch die Selbstbeobachtung, welche sich in ihrer Beobachtungsposition und ihrem Fokus stark unterscheidet. Jedoch haben Selbst- und Fremdbeobachtung ihre individuellen Stärken und Schwächen und können deshalb je nach Kontext sinnvoll eingesetzt werden. Die zentralen Unterschiede sind folgende.
Selbstbeobachtung
Fremdbeobachtung
Beobachter
Du beobachtest und reflektierst deine eigenen Verhaltensweisen.
Du beobachtest die Verhaltensweisen einer anderen Person/anderer Personen.
Objektivität
Da du deine eigenen Wahrnehmungen und Gedanken interpretierst, ist die Sichtweise subjektiver. Selbstverzerrungen sind möglich.
Da du nicht direkt an der Situation beteiligt bist, kannst du eine objektivere Sichtweise einnehmen. Verzerrungen, aufgrund von Erwartungen, Fehlinterpretationen oder Vorurteilen sind möglich.
Anwendung
Verwendung vorwiegend in der Psychologie und im Selbstmanagement.
Verwendung in wissenschaftlichen Kontexten zur Verhaltensanalyse.
Liefert dir tiefgründige Einsichten, auch in Vorgänge, die von außen nicht zu erkennen sind. Erfassen von Gefühlen und Emotionen
Daten können durch das Bewusstsein über einen Beobachter verfälscht werden. Erfassen von echten Gefühlen und Emotionen kaum/schwer möglich, allerdings sind die Daten objektiver.
Ethik
Wenig bis keine ethischen Bedenken, da du selbst die Kontrolle über die Beobachtung hast.
Vor allem bei verdeckten Beobachtungen entstehen große ethische Bedenken, da die beobachtete Person keine Kenntnis hat.
Ziele
Die Fremdbeobachtung verfolgt meistens mehrere Ziele. Diese können abhängig vom Kontext oder der Forschungsfrage variieren.
- Erfassung von individuellem oder kollektivem Verhalten unter bestimmten Bedingungen
- Verständnis von Individuen in einem bestimmten Kontext und bei Interaktionen
- Hypothesentestung
- Entdeckung neuer Phänomene und Verhaltensmuster
- Validierung von Selbstberichten
- Sammlung detaillierter Daten über Verhaltensweisen, Handlungen und nonverbaler Kommunikation
- Erfassung ethnografischer Einsichten
- Verhaltensoptimierungen (z. B.: im beruflichen Umfeld durch den Vorgesetzten)
Die Fremdbeobachtung kann auch als Grundlage weiterer Forschungen dienen, indem die gesammelten Forschungsergebnisse den Ausgangspunkt bilden.
Häufig gestellte Fragen
Unter dem Begriff Fremdbeobachtung wird eine Methode verstanden, bei der das Verhalten oder die Aktivität einer oder mehrerer Personen durch einen Beobachter systematisch beobachtet und analysiert wird.
Bei der Methode der Fremdbeobachtung werden abhängig von der Forschungsfrage und dem Kontext mehrere potenzielle Ziele verfolgt. Das hauptsächliche Ziel ist dabei, dass objektive Informationen über das beobachtete Verhalten gesammelt werden.
Die Durchführung einer Fremdbeobachtung folgt einem systematischen Prozess, damit die gesammelten Daten valide und zuverlässig sind. Während des Prozesses muss auf Faktoren geachtet werden, durch die die Ergebnisse beeinflusst werden könnten.
Es gibt einige verschiedene Beobachtungsmethoden, die je nach Forschungsziel und Fragestellung variieren können. Zu diesen Beobachtungsmethoden zählen unter anderem die Selbstbeobachtung, die Fremdbeobachtung, die offene und die verdeckte Beobachtung.
Durch Beobachtungsfehler kann die Gültigkeit und Zuverlässigkeit der Daten beeinträchtigt werden. Zu den häufigsten Beobachtungsfehlern zählen der Hawthorne-Effekt und der Halo-Effekt.