Das problemzentrierte Interview zählt zu den am häufigsten angewandten Interviewformen im wissenschaftlichen Bereich, da es ein strukturiertes Vorgehen mit großer erzählerischer Offenheit kombiniert. Ein problemzentriertes Interview ist vor allem dann geeignet, wenn du bereits Vorwissen zur Thematik besitzt, das du mithilfe subjektiver Aussagen ergänzen und vertiefen möchtest.1 Hier haben wir für dich die wichtigsten Informationen gesammelt dargestellt.
Definition: Problemzentriertes Interview
Ein problemzentriertes Interview ist eine qualitative wissenschaftliche Forschungsmethode, die darauf ausgerichtet ist, subjektive Ansichten und Erfahrungen zu einem bestimmten Thema oder Problem zu erfassen. Obwohl ein problemzentriertes Interview zu den theoriegenerierenden Methoden zählt, geht es sowohl deduktiv als auch induktiv vor.1
Problemzentrierte Interviews gliedern sich in drei Phasen:
- Begrüßung und Einleitung der Erzählphase und Gesprächseröffnung
- Verständnissicherung und Rückfragen
- Ad-Hoc-Fragen, die bereits vor dem Gespräch vorbereitet wurden
Als semistrukturiertes Interview verlässt sich ein problemzentriertes Interview größtenteils auf die offene Erzählung der Befragten, jedoch gibt es stets eine zentrale Problemstellung, auf die du das Gespräch durch gezieltes Fragen zurücklenken kannst.
Problemzentrierte Interview vs. narratives Interview
Ein problemzentriertes Interview und ein narratives Interview verfügen über eine wichtige Gemeinsamkeit: Beide stellen die freie Erzählung der befragten Personen in den Vordergrund.
In unserer Tabelle findest du wichtige Unterschiede zwischen den Interviewformen.
Problemzentriertes Interview | Narratives Interview | |
Fokus | Konkrete Problemstellungen | Biografische Erfahrungen |
Gesprächsform | Semistrukturiert | Unstrukturiert |
Unterbrechungen | Jederzeit möglich | Nicht in der Erzählphase |
Vorgehen | Deduktiv und induktiv | Induktiv |
Aufbau des problemzentrierten Interviews
Ein problemzentriertes Interview gliedert sich in drei Phasen:
- Gesprächseröffnung
- Verständnissicherung und Rückfragen
- Ad-Hoc-Fragen
1. Gesprächseröffnung des Problemzentrierten Interviews
Ein problemzentriertes Interview beginnt stets mit einer Einführung in die Thematik. Dafür begrüßt du die befragte Person und stellst ihr eine offene Einstiegsfrage oder forderst sie auf, etwas Bestimmtes zu erzählen. So gibst du ihr die Möglichkeit, dort mit der Erzählung einzusteigen, wo sie es für sinnvoll halten. Dieser erste Teil des Gespräches erinnert stark an das narrative Interview.
2. Verständnissicherung und Rückfragen
Hat die befragte Person ihre Erzählung beendet, ist die Zeit gekommen, um Nachfragen zu stellen. Mit diesen verfolgst du das Ziel, die subjektiven Schilderungen der Befragten logisch nachzuvollziehen und eventuelle Unklarheiten aus dem Weg zu räumen. Dafür eignet sich am besten eine Fragetechnik, die Detaillierungen direkt einfordern.
Es gibt drei Formen der Verständnissicherung beziehungsweise Rückfragen:
- Zurückspiegelung: Hier gibst du die Erzählungen der befragten Person in eigenen Worten wieder, sodass die Person deine Interpretation bestätigen oder korrigieren kann.
- Verständnisfragen: Wenn dir etwas unklar ist oder du eine Schilderung stärker eingrenzen möchtest, kannst du Verständnisfragen stellen.
- Konfrontation: Ist dir ein Widerspruch in der Erzählung der befragten Person aufgefallen, kannst du sie mithilfe der Konfrontation darauf ansprechen und darum bitten, dass die Person ihre Ansichten noch einmal erklärt.
Von Bedeutung ist für alle drei Formen der Rückfragen, dass sie sinnvoll in die Interviewsituation integriert werden. Du musst dich als interviewende Person um eine gute Gesprächsatmosphäre bemühen und selbst bei kritischen Rückfragen dafür sorgen, dass das inhaltliche Interesse spürbar bleibt. Außerdem solltest du dir dessen bewusst sein, dass Diskrepanzen in der Schilderung der Befragten durch soziale oder historische Widersprüche entstanden sein können und somit nicht immer auflösbar sind.
3. Ad-hoc-Fragen des Problemzentrierten Interviews
Ad-Hoc-Fragen ergeben sich nicht aus dem Interviewverlauf, sondern wurden bereits vor dem Gespräch vorbereitet. Es handelt sich hierbei um Fragestellungen, die für ein problemzentriertes Interview von zentraler Bedeutung sind, aber erst im späteren Verlauf des Gespräches erwähnt werden sollten, um die Befragten nicht zu unterbrechen. Zusätzlich soll durch die Ad-Hoc-Fragen Vergleichbarkeit zwischen mehreren Interviews zur gleichen Thematik hergestellt werden.
Leitfaden des problemzentrierten Interviews
Ein problemzentriertes Interview bildet ein Spannungsfeld aus deduktivem Vorwissen und der induktiven Ergänzung durch neues Material. Daher macht es Sinn, einen Leitfaden zu formulieren, mit dem du die zu untersuchende Thematik in Kernfragen festhältst.1
Auswertung des problemzentrierten Interviews
Es gibt keine festen Vorgaben dafür, ein problemzentriertes Interview auszuwerten.
Anzuraten ist jedoch, das Interview zuerst mithilfe einer Tonaufzeichnung zu transkribieren. Im Transkript können neben den Gesprächsinhalten auch nonverbale oder situative Aspekte festgehalten werden.
Im Anschluss kannst du das Interview kodieren und in unterschiedliche inhaltliche Kategorien unterteilen. Hast du mehrere Interviews geführt, bietet es sich an, sie zunächst einzeln zu analysieren und dann anhand der Kategorien miteinander zu vergleichen.
Häufig gestellte Fragen
Forschungsmethode zur Erfassung von Erfahrungen oder Meinungen. Die interviewende Person stellt zunächst offene Fragen, kann das Gespräch aber immer wieder auf die zu untersuchende Problemstellung zurücklenken.
Das Ziel des problemzentrierten Interviews besteht darin, die Erfahrungen oder Ansichten der Befragten zu einer bestimmten Thematik zu erfassen, die in einer wissenschaftlichen Arbeit behandelt wird.
Ein problemzentriertes Interview durchläuft drei Phasen: Gesprächseröffnung, Verständnissicherung und Rückfragen, Ad-hoc-Fragen.
Wegen seiner Flexibilität und der offenen Fragen, wird ein problemzentriertes Interview zu den qualitativen Forschungsmethoden gezählt. Es wird sowohl deduktiv als auch induktiv gearbeitet.
Interviewformen stellen das freie Erzählen der Befragten in den Fokus. Ein problemzentriertes Interview erlaubt anders als das narrative Interview jedoch auch Unterbrechungen durch die interviewende Person.
Quellen
1 Kohlbrunn, Yvonne: Problemzentriertes Interview, in: Ruhr-Universität Bochum, o.D., [online] https://methodenzentrum.ruhr-uni-bochum.de/e-learning/qualitative-erhebungsmethoden/qualitative-interviewforschung/unterschiedliche-formen-qualitativer-interviews/problemzentriertes-interview/ (zuletzt abgerufen am 19.12.22)