Soziale Erwünschtheit – Definition, Arten & Vermeidung

12.08.24 Allgemeine Begrifflichkeiten Lesedauer: 6min

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Beim Schreiben von wissenschaftlichen Arbeiten sind sowohl Interviews als auch Umfragen verbreitete Methoden zur Beantwortung deiner Forschungsfrage. Doch vor allem bei der Methodik in sozialen Situationen muss beachtet werden, dass die Ergebnisse nicht durch die Einflüsse sozialer Erwünschtheit beeinträchtigt werden. Was genau darunter zu verstehen ist, wie man sie erkennt und vermeiden kann, wird im folgenden Beitrag erklärt.

Soziale Erwünschtheit „einfach erklärt“

Unter sozialer Erwünschtheit versteht man die Tendenz von Personen, in sozialen Situationen ihr Antworten und Handlungen so zu gestalten, dass sie von anderen positiv bewertet werden und gesellschaftliche Normen und Erwartungen erfüllen. Vor allem bei als sensibel geltenden Sachverhalten, wie der Einkommensfrage oder auch Angaben zu eigenen Verhaltensweisen ist damit zu rechnen, dass es bei den Befragten zu Beschönigungstendenzen kommt.

Definition: Soziale Erwünschtheit

Soziale Erwünschtheit [engl. moralistic bias, social desirability] entsteht dadurch, dass soziale Werte und Normen in einer Befragung stärker beachtet werden als im alltäglichen Handeln, was zu Verzerrungen der Antworten in Richtung gesellschaftlicher Wunschvorstellungen führt.

Bei der Operationalisierung von sozialen Erwünschtheitsfragen muss darauf geachtet werden, dass solche Verzerrungen erkannt und kontrolliert werden, um die Validität der Ergebnisse zu gewährleisten.

Bei sensiblen oder kontroversen Themen, wo möglicherweise missbilligende Reaktionen erwartet werden, kann soziale Erwünschtheit auch im Alltag auftreten. Sie ist eine Form der Antwortverzerrung, da die Antwortenden insbesondere bei Fragen zu persönlichen Eigenschaften, ihrem Verhalten oder sensiblen, persönlichen oder politischen Themen zu sozial akzeptierten Antworten tendieren.

Unterschieden wird einerseits zwischen Overreporting, bei dem sozial erwünschtes Verhalten in einem hohen Maße angegeben wird.

Formen

Im Allgemeinen werden zwei Formen der sozialen Erwünschtheit unterschieden, wobei einerseits sozial akzeptiertes Verhalten übertrieben und andererseits sozial nicht akzeptierte Verhaltensweisen untertrieben dargestellt werden. Man spricht hierbei von:

  • Overreporting
  • Underreporting

Beim Overreporting werden sozial erwünschte Verhaltensweisen in einem hohen Maße angegeben wird.

Beispiel: Overreporting

  • Wie oft treibst du wöchentlich Sport?

Hierbei ist die Tendenz, dass die Angabe bei einer Befragung übertrieben ist.

Beim Underreporting werden sozial unerwünschte Verhaltensweisen untertrieben.

Beispiel: Overreporting

  • Hast du schon mal Drogen genommen?

Hierbei ist die Tendenz, dass die Angabe bei einer Befragung untertrieben ist.

Die beiden Formen, bei denen soziale Erwünschtheit die Antwort, sind von der jeweiligen Frage abhängig. Grundsätzlich verfälscht sowohl Overreporting als auch Underreporting die Ergebnisse.

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Arten

Man unterscheidet zwischen sechs verschiedenen Arten von sozialer Erwünschtheit:

  • Kulturell und Situativ
  • Bewusst und Unbewusst
  • Situationsspezifisch und Situationsübergreifend

Eine klare Trennung zwischen den einzelnen Arten ist nicht möglich und auch Kombinationen aus mehreren Arten sind möglich, wie z. B. eine bewusste situationsabhängige soziale Erwünschtheit. Die verschiedenen Arten kann man also eher als Einordnungshilfe sehen.

Kulturell

Kulturelle soziale Erwünschtheit bezieht sich auf die Erwartungen und Normen, die durch kulturelle und gesellschaftliche Werte geprägt sind. Diese Normen beeinflussen, wie Befragte ihre Antworten adaptieren, um den kulturellen, gesellschaftlichen und sozialen Standards gerecht zu werden. Äußere Merkmale wie Alter und Geschlecht können in diesem Fall mit bestimmten Einstellungen und Verhaltensweisen verbunden sein, die den gesellschaftlichen Rollenerwartungen entsprechen.

Situativ

Situative soziale Erwünschtheit tritt auf, wenn Erwartungen und gesellschaftliche Normen, die in einer bestimmten Situation bestehen, die Antworten von Befragten beeinflussen. Hierbei können Merkmale des Interviewenden, die Anwesenheit anderer Personen oder auch der „Sponsor“ der Untersuchung dazu führen, dass Befragte ihre Antworten an den Erwartungen und dem sozialen Druck der Situation ausrichten. Somit kann die Antwort auf dieselbe Frage bei unterschiedlichen Befragungen abweichend sein.

Bewusst

Bewusste soziale Erwünschtheit bezeichnet die absichtliche Anpassung der Antworten und Handlungen von Befragten, um ein entsprechendes Bild von sich selbst zu vermitteln und einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Dies geschieht meist durch eine gezielte Selbstdarstellung, bei der Befragte ihre Antworten so gestalten, dass sie den gesellschaftlichen Erwartungen und Normen entsprechen, um als besonders positiv oder akzeptabel wahrgenommen zu werden.

Unbewusst

Unbewusst soziale Erwünschtheit definiert die unbewusste Beeinflussung der Antworten durch Erwartungen und Normen. Befragte versuchen unbewusst, den Erwartungen anderer zu entsprechen, meist aufgrund eines verzerrten Selbstbildes, das sie positiver beurteilt als die Realität. In diesem Zusammenhang wird zwischen Selbsttäuschung (Idealisierung des Selbstbildes) und der Täuschung anderer (Idealisierung der Selbstdarstellung) unterschieden.

Situationsspezifisch

Situationsspezifische soziale Erwünschtheit bezeichnet, den variierenden Grad des Einflusses der sozialen Erwünschtheit je nach Situation. Dies ist meist durch die Angst vor negativen Konsequenzen oder sozialer Ausgrenzung bedingt. Das Ausmaß der Beeinflussung wird von sozialen und kulturellen Normen und den Umständen der Befragung beeinflusst.

Situationsübergreifend

Situationsübergreifende soziale Erwünschtheit bezeichnet die Tendenz, dass die soziale Erwünschtheit nicht situationsabhängig ist, sondern von konstanten Faktoren abhängt, die in jeder Situation auftritt. Dieses Verhalten basiert meist auf grundlegenden Persönlichkeitsmerkmalen und Charakteristiken, etwa wie wichtig die Meinung anderer für eine Person ist.

Vermeidung

In deiner wissenschaftlichen Arbeit kann sozial erwünschtes Antwortverhalten sowohl in der quantitativen als auch qualitativen Forschung die Forschungsergebnisse beeinflussen. Hier kann sie bei Umfragen und Fragebögen, Interview und Beobachtungen vorkommen.

Da es sich hierbei um eine Antwortverzerrung handelt, die sowohl die Validität als die Reliabilität deiner Studie infrage stellen kann, ist es relevant den Effekt zu minimieren oder sogar zu verhindern. Um dies zu vermeiden kannst du unter anderem die Situation der Befragung und auch die Fragestellungen anpassen. Generell kannst du folgende Schritte vornehmen, um die Einflüsse zu minimieren:

  • Anonymisierung: Gewährleiste den Teilnehmenden die Anonymität.
  • Auswahl der Teilnehmenden: Sorge für eine geeignete Auswahl an Teilnehmenden.
  • Physische Distanz: Führe die Umfrage online, telefonisch oder schriftlich durch.
  • Zeitbegrenzung: Gebe eine Zeitvorgabe für die Beantwortung der Fragen für intuitive Antworten.
  • Vermeide Suggestivfragen: Vermeide Fragestellungen, die bereits eine Antwort implizieren.
  • Verwende indirekte Fragen: Verwende indirekte objektive Fragestellungen.
  • Verwende Kontrollfragen: Kontrollfragen geben Einsicht darin, ob die Antworten übereinstimmen.
  • Verwende euphemistische Ausdrücke: Verwende Euphemismen, um extreme Ausdrücke zu umgehen.
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Auswertung

Auch wenn du die oben genannten Maßnahmen ergreifst, lässt sich eine Beeinflussung bei sensiblen Fragen in den Ergebnissen meist nicht komplett vermeiden. Als Möglichkeit, zu messen, inwiefern der Effekt bei den Ergebnissen auftritt, gibt es die „Social Desirability Scale“. Mit dieser Skala lässt sich messen, wie sehr die befragten Personen zu sozial erwünschten Antworten neigen.

Hierfür werden anhand Aussagen, zu einem sehr negativen Sachverhalt und einem sehr positiven Sachverhalt abgefragt. Anhand dieser Antworten wird das Ausmaß der Übertreibung gemessen. Bekannte Skalen hierfür sind die SD-Skale oder die Marlowe-Crowne-Scala. Wenn die Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass die Person zu sozialer Erwünschtheit tendiert, gibt es drei Möglichkeiten:

  1. Statistische Kontrolle von besonders extremen Antworten
  2. Person von der Studie ausschließen
  3. Ergebnisse reflektieren, diskutieren und entsprechend vorsichtig interpretieren

Häufig gestellte Fragen

Die Neigung von Personen, ihre Antworten und Handlungen in Befragungen u. ä. an gesellschaftliche Normen und Wertvorstellungen anzupassen und so zu gestalten, dass sie positive Bewertungen erhalten und den gesellschaftlichen Normen sowie Erwartungen entsprechen.

Handlungen oder Äußerungen, die darauf abzielen, den Erwartungen und Normen der Gesellschaft zu entsprechen und von anderen positiv bewertet zu werden.

Die sechs Arten lauten bewusste, unbewusste, situationsabhängige, situationsübergreifende, kulturelle und situative soziale Erwünschtheit. Sie können teils auch gleichzeitig auftreten.

Um die Einflüsse zu minimieren, kannst du die Befragungsumstände optimieren oder auf die korrekte Frageformulierung achten.

Dafür kannst du die „Social Desirability Scale“ nutzen. Diese misst, wie stark Personen zu sozial erwünschten Antworten neigen.